Gespräch zur Ausstellung Stillleben von Susanne Gressmann
25.10.2020 in der Galerie Morgenland
Kurator Matthias Oppermann mit Susanne Gressmann
Matthias Oppermann:
Was bedeutet für Dich in der heutigen Zeit, ein Stillleben?
Susanne Gressmann:
Unabhängig von dem Begriff Stillleben interessieren mich die Worte Stille und Leben, die darin enthalten sind.
Ich verbinde mit Stille etwas Positives, es bedeutet für mich Ruhe, Einklang, Vollkommenheit. Leben ist beweglich, dynamisch, veränderlich. Zwei unterschiedliche gegensätzliche Impulse eröffnen mir gedanklich einen Spannungsbogen unter einer Überschrift.
Einen Kontrapunkt möchte ich setzen zu der oft lauten großformatigen zeitgenössischen Kunst mit der Serie „stilles Stillleben“. Ich versuche dem etwas entgegenzusetzen.
Reizen tut mich an der Aufgabenstellung, dass es eine Fokussierung und eine Konzentration auf mein bewusst klein gewähltes Format beinhaltet. Der Betrachter/in wird dazu eingeladen genau hinzuschauen. Auf wenig Platz entsteht eine verdichtete Erzählweise.
Kleinste Veränderungen bedeuten einen anderen Schwerpunkt. Ein feines Wechselspiel von Form und Farbflächen, ein wohlüberlegter Aufbau war meine Herausforderung.
Daran anschließend eröffnet sich mir die Fragestellung, welche Rolle könnte das Stillleben aus kunstgeschichtlicher Sicht heute spielen.
Nachdem die Maler nicht mehr nur für Kirchen malten entstanden in dem 16 Jahrhundert Stillleben vor allem für das Bürgertum, welche es sich leisten konnten diese zu erwerben. Dabei lag der Fokus auf Luxusgütern wie edle Blumen, Stoffe und Gefäße. Weiter spielte die Symbolik einzelner Gegenstände eine Rolle, wie zum Beispiel Bierglas und Brot für das“ einfache Leben“. Gesellschaftlich entwickelte sich auch ein Interesse an naturalistischen Darstellungen, wie die Abbildung einer einfachen Gartenblume. Diese steht prototypisch für die Entdeckung der Wirklichkeit und von neuen Auffassungen der Umwelt, beziehungsweise der Natur.
Weiter wurde der ewige Kreislauf des Lebens in den Bildern thematisiert.
In meinen Stillleben nehme ich Bezug zu diesen Themen und lasse diese Gedanken mit einfließen.
Ich möchte darauf verweisen, dass die kleinsten unauffälligsten Pflanzen und Lebewesen immanent wichtig sind für unser Leben. Sie symbolisieren eine Umsicht mit unserem Leben.
Entstanden sind Beschreibungen von der Wertigkeit der Artenvielfalt. Es sind Miniaturen, kleine Andachtsbilder die den ewigen Kreislauf des Lebens thematisieren und beschwören.
Matthias Oppermann:
„Ich höre da auch Kritik heraus, Kritik an der Großspurigkeit, an der Unfähigkeit noch genau hinschauen zu wollen. Beschäftigt Dich das?
Susanne Gressmann:
Mir wiederstrebt künstlerische Positionen gegeneinander auszuspielen, denn ich denke das große Formate, Kunst die aufrüttelt, den Betrachter „anspringt“ seine Berechtigung hat.
Das kleine Format hat einen biedermeierlichen, bürgerlichen Anklang und tatsächlich ist es wichtig dies kritisch zu sehen. Dennoch finde ich wenn es diesen Aspekt hat, stellt sich mir die Frage, ob innerliche kleine Bilder ihre Berechtigung haben.
Matthias Oppermann:
Ich kann Dein Unbehagen Angesicht der schnellen und lauten Bilder gut verstehen. So scheint die Frage, ob in unserer heutigen Zeit eine Kunst noch Platz hat, die einen entschleunigten Blick erfordert, dringend notwendig. Ich verstehe Deinen Arbeiten dann auch als eine Art von Statement diesbezüglich. Jetzt sprichst Du von einer Unsicherheit. Das scheint mir ein wichtiger Punkt. Ist das Laute und Schnelle nicht vielleicht auch eine manische Abwehr von großer Unsicherheit? Und kommen wir damit bezogen auf Deine Bilder zu ihrem Entstehungsprozess und Deiner Verfasstheit beim Malen?
Susanne Gressmann:
Ich bin mir tatsächlich nicht sicher, ob mein Statement wie Du es nennst, richtig ist. Es war ein Versuch mit offenem Ende, ob ein Stillleben zeitgemäß ist und es mir gelingt dafür eine eigenständige Bildsprache zu finden.
Dies war meine Ausgangsposition. Die Bilder sind über ein Jahr verteilt entstanden. Immer wieder mein Versuch das Stillleben neu zu denken. Entstanden sind 25 Variationen.
Auch wenn sie klein sind, arbeite ich lange an einem Bild. Ich habe bewußt diese duffe puderige Oberfläche der Pastellfarben gewählt, weil ich diese haptische, wie aufgelegte Schicht mit der Möglichkeit sie zu verwischen, zum Thema passend finde. Mein Empfinden ist dazu, ein Wind könnte die Oberfläche verwirbeln, also der nächste Moment könnte die Anordnung verändern.
Sicher fließt meine Befindlichkeit in die Bildgestaltung mit hinein, aber ich empfinde sie nicht wie Bilder der inneren Unsicherheit, mehr wie kleine verdichtete Erzählungen.
Matthias Oppermann:
Das mit den verdichteten Erzählungen gefällt mir, aber ich möchte doch noch einmal zur Unsicherheit zurückkommen. Du beschreibst sehr schön Dein Material, das duffe puderige Pastell. Man darf es nicht anfassen. Alle Künstlerinnen wissen, wie schwer es zu fixieren ist. Es ist etwas, das nicht festzuhalten ist, bei Fixierung verändert sich der Farbton, mit der Zeit fallen die Pigmentteile herunter, wenn sie die Haftung verlieren. Es ist also ein fragiles Material, das leicht verwischt, verändert oder zerstört werden kann. Ist das Material nicht schon eine Zeitdiagnose? Ich meine mit der Unsicherheit nicht Deine Befindlichkeit bei der Bildgestaltung, sondern frage mich, ob Du mit Deinen Arbeiten nicht unbewusst auf etwas in der Zeit reagieren.
Das Fragile des Pastells könnte im nächsten Moment sofort verwischt sein. So wie eine Nachrichtenmeldung (auch eine Geschichte) sofort schnell von der Nächsten abgelöst, verwischt wird. Mir kommt es so vor, als ob Du Deine Geschichten im Moment fest hältst, wie ein Standbild, alles Drumherum wird still. Der Moment wird festgehalten und ist so fragil. Deine Stillleben sind dann weniger ein memento mori als ein memento vitae.
Susanne Gressmann:
Besser hättest Du nicht ausdrücken können was ich meine.Ich möchte den Eindruck eines Augenblickes festhalten. aber alles ist in Bewegung, nichts bleibt wie es ist.
Bedingt nicht Leben, Lebendigkeit die Ahnung von dem Tod? Ich meine damit, dass memento mori und memento vitae zusammengehören.
Noch einmal zurück zu der Unsicherheit, dazu fiel mir noch ergänzend ein, dass es bei mir ein Hauptantrieb ist künstlerisch zu arbeiten; Als ob ich mich mit meinen Arbeiten selbstvergewissern möchte. Zumindest versuche ich Dem eine Form zu geben.