en passant

Unter dem Titel „en passant”, also im Vorübergehen, zeigt Susanne Gressmanns Ausstellung zwei Arten von Arbeiten: Im Zentrum der Ausstellung steht eine skulpturale Bildreihe, die aus im Raum aufgereihten, beidseitig bemalten Holz-Bildträgern besteht. Die schwarz gestrichenen Holzteile sind auf beiden Seiten mit Papieren bezogen auf den japanisch anmutende Zeichnungen zu sehen sind. Diese Tuschezeichnungen sind figurative und Abstrakt zugleich. Es ist nicht schwierig Figuren in ihnen zu sehen- obwohl sie keine Figuren abbilden. In ihrer figurativen Abstraktion, erinnern mich die Bilder an comics, denn wie in einem comic sind die Bilder in einer Sequenz angeordnet und stehen daher in einer narrativen oder erzählerischen Beziehung zueinander. Im Gegensatz zu einem comic, erlaubt uns die räumliche Anordnung der Arbeit die Bildabfolge ‘en passant,’ im Vorübergehen wahrzunehmen.

Papier beidseitig auf Holzträger

Größe der Holzobjekte 12 cm-20cm

Die Holzobjekte sind auf einer Länge von 6 m aufgereiht

Im Gegensatz zum Film, denn wir können uns die Arbeit anstelle vom comic ja auch als Filmstreifen vorstellen, sind wir hier keine Zuschauer sondern Passanten die im Vorübergehen bestimmen wie schnell und in welcher Richtung die Bilder passieren. Vorwärts, rückwärts, Kehrtwende, rundherum, und so weiter… was sehen wir eigentlich wenn so herumgehen, und welche Bilder passieren Passanten, und was bleibt, was für Spuren?

Zusammenfassend schlage ich vor, dass wir es bei der zentralen Skulptur mit einer Art räumlich navigierbaren, narrativen Zeitmachine zu tun haben.

Schritt, Schritt, Bild, Bild, Schnitt, Schnitt.

Der zentralen Skulptur gegenübergestellt sind wandgehängte Bilder. Diese laden im Gegensatz zur zentralen Arbeit nicht zum Vorübergehen ein. Im Gegenteil. Um sie zu sehen müssen wir vom klassischen Interessiert-in-der-Galerie-vor-der-Wand-stehen-Gebrauch machen. Sie sind hier doch alle sehr Kultiviert und hochgeübt in dieser ermüdenden Kulturtechnik, vermute ich.

Aber obwohl die Bilder uns zum vor der Wand stehen bleiben verpflichten, setzen sich auch diese Bilder mit dem Vorübergehen auseinander, denn wir haben es hier mit Collagen zu tun die aus vielen sich überlagernden Bildschichten bestehen. Wenn die Installation eine Art Zeitmachine ist, können wir uns die wandhängenden Bilder als archäologische Ausgrabungsstätten vorstellen in der zu verschiedenen Zeiten gewonnene Eindrücke aufeinander geschichtet sind. Manche Artefakte scheinen klar erkennbar, andere sind hoffnungslos vermodert, fragil oder verdeckt. Beide Arbeiten sind vielschichtig, aber in der Installation sind die Schichten in einer räumlichen Sequenz geordnete, während die Wandbilder die Schichten zu einem einzigen Bild verdichten.

Wir leben, vielleicht von wenigen dramatisch überhöhten Momenten abgesehen, im Vorübergehen.

Wir sagen ja auch, das Leben, es geht vorüber und was bleibt wenn etwas oder es vorübergingen? En passant!

Bilder im Erinnerungsraum? Figurativ-abstrakte Spuren, realistisch? Ungreifbar und unmittelbar?

vor, zurück, vor, zurück, stehenbleiben, im vorrübergehen…neuordnen Wie unfreiwillige Archäologen auf der Suche nach Beweisstücken in sich überlagernden und gegenseitig auslöschenden Bildern? Ich erinnre mich ganz deutlich, schau hier, so ist es gewesen? Was sagst Du, Ich erkenne mich nicht in deinen Bildern, bis bald, ich habe noch zu tun.

Die Beziehung von Vorübergegangenem und Bildern — also Erinnerung – ist, zumindest ein Thema dieser Ausstellung. Ich hoffe sie finden in den Bildern ihre eigenen Erzählungen – im Vorübergehen. Vielen Dank.

 

Dr. Julien McHardy, Amsterdam

Soziologe, Produktdesigner, Kurator Zur Ausstellung „en passant“, Halle 424